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Zustimmung und Kritik an neuen EU-Regulierungen

Die Europäische Union treibt mit neuen Regulierungen zentrale Weichenstellungen für die Zukunft der pharmazeutischen Industrie und der Gesundheitsversorgung voran. Während der "Critical Medicines Act" (CMA) vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) als notwendiger und positiver Schritt zur Stärkung der Arzneimittelproduktion in Europa gewürdigt wird, stößt die Überarbeitung der Kommunalen Abwasserrichtlinie (KARL) auf scharfe Kritik von Pharmaunternehmen.

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Die Pharmaindustrie und ihre Verbände reagieren sehr unterschiedlich auf neueste Regulierungen aus Brüssel. Mit der aktuellen Veröffentlichung des „Critical Medicines Act“ setzt die EU-Kommission einerseits ein klares Signal für die Sicherstellung stabiler und widerstandsfähiger Lieferketten im Arzneimittelbereich. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßt diese Initiative als industriepolitisch notwendige Antwort auf die Herausforderungen in Europa. Der Fokus auf eine diversifizierte europäische Produktion sei aus Sicht der Branche entscheidend, um Lieferengpässen entgegenzuwirken und die allgemeine Sicherheitslage zu stärken.

Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI, betont: „Die Europäische Kommission hat erkannt, dass dringend etwas getan werden muss. Besonders wichtig ist, dass Investitionen in bestehende Produktionsstätten gefördert und gezielte Anreize geschaffen werden, etwa durch staatliche Beihilfen, Steuergutschriften und schnellere Genehmigungsverfahren.“

Ein wesentlicher Fortschritt des CMA ist die Abkehr von einer ausschließlichen Preisfixierung bei der Arzneimittelvergabe. Durch die Honorierung europäischer Produktionsstandorte sollen langfristig widerstandsfähigere Lieferketten geschaffen werden. Zudem werden auch strategische Investitionen in bestehende Kapazitäten und Optimierungsprozesse gefördert, was insbesondere für den Off-Patent-Sektor eine erhebliche Bedeutung hat.

Während der CMA als positive Entwicklung gesehen wird, wird die Überarbeitung der Kommunalen Abwasserrichtlinie (KARL) von vielen Unternehmen der Pharmaindustrie als problematisch erachtet. Das Pharmaunternehmen Zentiva hat sogar eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Richtlinie auf die Arzneimittelversorgung in Deutschland abzuwehren.

Die neue Richtlinie verpflichtet die pharmazeutische und kosmetische Industrie, die Kosten für die Entfernung von Mikroverunreinigungen in kommunalen Kläranlagen zu übernehmen. Zwar wird das Verursacherprinzip als Teil des Green Deals grundsätzlich unterstützt, jedoch sehen auch 16 von 27 EU-Mitgliedstaaten erhebliche Probleme in der Umsetzung. Kritisiert wird insbesondere die finanzielle Belastung für Generika-Hersteller, die einen Großteil der verschriebenen Medikamente bereitstellen, aber aufgrund ihrer geringen Margen besonders betroffen wären.

Josip Mestrovic, Geschäftsführer von Zentiva Deutschland, erklärt: „Wir sind bereit, unseren fairen Anteil zu zahlen, doch die Richtlinie ist im aktuellen Zustand nicht tragbar. Sie stellt eine versteckte Zusatzsteuer dar, die besonders die Generika-Industrie trifft. Unter den bereits stark regulierten Rahmenbedingungen ist das wirtschaftlich nicht machbar.“

Generika decken rund 80% der in Deutschland verschriebenen Arzneimittel ab, verursachen jedoch nur 8% der Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen. Sie sind essentiell für die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung. Kritiker der Richtlinie befürchten, dass die zusätzlichen Kosten viele Generika-Produzenten aus der EU drängen könnten, was wiederum die Versorgungssicherheit gefährde und den Zielen des erwähnten Critical Medicines Act in gewisser Weise entgegenstünde.

Mestrovic warnt zudem vor einem Verstoß gegen zentrale Grundsätze der Europäischen Union: „Die Richtlinie ist diskriminierend und unverhältnismäßig. Es gibt keine Transparenz darüber, warum ausschließlich die Pharma- und Kosmetikbranche zur Finanzierung herangezogen wird. Eine Umsetzung in der aktuellen Form würde dazu führen, dass zahlreiche lebenswichtige Medikamente unwirtschaftlich werden und vom Markt verschwinden.“

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